AZUBI TRIFFT MEISTER – LAMM IM LAMM

Vier Jahre waren wir mit der Serie „Food-Bloggerin trifft Meister“ erfolgreich. Jetzt schlagen wir ein neues Kapitel auf: „Azubi trifft Meister“. Denn was liegt näher, als unserem Nachwuchs eine Plattform zu geben? Schließlich engagiert sich die Meistervereinigung intensiv für diesen und wurde dafür unlängst als „Genussbotschafter des Landes Baden-Württemberg“ ausgezeichnet. Die erste Auszubildende, auf die unsere Wahl gefallen ist, heißt Alina Wolf. Dies geschah nicht ganz ohne Grund, im vergangenen Jahr konnte Alina Wolf unseren Nachwuchswettbewerb „Die Besten 10“ für sich entscheiden. Bei diesem ersten Koch-Shooting trifft die ambitionierte Jungköchin auf Küchenmeister Matthias Nägele, der seit über 20 Jahren als Küchenchef bei Markus Polinski im Lamm in Remshalden-Hebsack tätig ist, und ihr als Mentor mit Rat und Tat zur Seite stand.
Das Thema Milchlamm hatten sich die Meister Markus Polinski und Matthias Nägele gewünscht, da sich am Thema „Lamm“ die ganzheitliche Philosophie des Hotel-Restaurant Lamm perfekt aufzeigen lässt. In diesem historischen Gasthaus wird schon immer „nose to tail“, also das ganze Tier bestmöglich und ganzheitlich verarbeitet. Diese Philosophie vertritt auch der im Nachbarort Berglen-Streich ansässige Schäfer Klaus Aupperle. Bei ihm bezieht Markus Polinski seit Jahren ganze Lämmer, um diese dann vollständig zu verarbeiten. Die ganzheitliche Philosophie ist eine wichtige Komponente für die regionale und saisonale, mediterran inspirierte leichte Gourmetküche des Hauses. Markus Polinski, selbst begeisterter Weinliebhaber und mit zwei Freunden stolzer Besitzer des kleinen Weinberges „Räuber“, legt seit jeher sein Augenmerk auf eine gute Weinkarte. Unterstützt wird er dabei von seiner Frau Sylvia, die schon seit Anbeginn Mitglied bei Vinissima – Frauen & Wein ist, dem bundesweiten Berufsnetzwerk für Frauen in der Weinbranche. Matthias Nägele gehört quasi zur Familie, vertritt er doch die gleichen Grundsätze wie die Polinskis, auch wenn er ein Hefeweizen stets dem Wein vorzieht. Noch bevor COVID-19 auftrat, trafen sich unsere drei Protagonisten zum, neu konzipierten „Azubi trifft Meister“. Im Vorfeld hatte bereits ein reger Austausch stattgefunden. Man lernte kennen, tauschte sich und Rezepte aus. Ein Konsens war schnell gefunden.

Als Vorspeise stehen Rosmarinspießle vom Milchlammfilet auf Kartoffel-Gnocchi in Spinatrahm auf dem Speiseplan. Nachdem die Lammfilets pariert und mit Salz und Pfeffer gewürzt sind, drittelt Matthias Nägele die Filets in circa vier Zentimeter große Stücke, entnadelt die Rosmarinzweige und spießt die zarten Filetstücke darauf auf. Alina Wolf unterstützt ihn dabei tatkräftig. Für die Kartoffel-Gnocchi hat Matthias Nägele bereits am Vortag Pellkartoffeln gekocht, damit diese gut durchgekühlt sind. Gepellt drückt er sie durch eine Spätzle-Presse, knetet sie gut mit Mehl und Ei durch und schmeckt die Masse mit Salz, Pfeffer und Muskatnuss ab. Von den langen Teigwürsten schneidet er circa ein Zentimeter große Nocken ab, kocht sie in reichlich Salzwasser circa fünf Minuten und schreckt sie gleich ab. Zwiebeln, Karotte und Knoblauch schneidet Matthias Nägele in feine Würfel, lässt sie in einem Topf mit etwas Butter glasig dämpfen, gibt nachfolgend den Blattspinat hinzu und schmeckt alles mit Salz, Pfeffer, etwas Zucker und Chili ab. Mit flüssiger Sahne aufgefüllt, lässt er das Gemüse auf kochen, gibt vorsichtig die Gnocchi in den Topf und hebt den geriebenen Parmesankäse unter. „Das ist gut für eine sämige Verbindung, es kann auch noch ein Eigelb untergehoben werden, dann nimmt die Geschmeidigkeit zu“, verrät er. Zum Schluss brät Matthias Nägele die Rosmarinspießle von beiden Seiten circa drei Minuten scharf in Butterschmalz an, bevor er alles auf einem vorgewärmten Teller anrichtet.

ALINA WOLF
Alina Wolf hat mit gerade einmal 18 Jahren schon einige Wettbewerbe gesehen. Nach ihrer Mittleren Reife begann sie, genau wie ihr Bruder, eine Ausbildung zum Koch/Köchin bei unserem Meisterkollegen Rolf Straubinger auf Burg Staufeneck. Zurückblicken kann sie bereits auf einige Wettbewerbserfolge, darunter der 1. Platz beim OMEGA SORG Wanderpokal, der Prisecco-Pokal sowie der 1. Platz bei dem Koch- und Service-Wettbewerb „Die Besten 10“ der Meistervereinigung Gastro-nom Baden-Württemberg e.V.
Was der Meister noch nicht wusste …
TIPP VOM AZUBI – Die Sahne darf nicht zu steif geschlagen werden, sonst geht sie leicht kaputt. Bei Zugabe von geschlagener Sahne in Mousse daher immer darauf achten, die Sahne in mehreren Schritten hinzuzugeben – im Fachjargon „angleichen“ da die Mousse sonst zu schwer für die Sahne sein kann.

MATTHIAS NÄGELE
Nach seiner Koch-Ausbildung in der „Alten Nagelschmiede“ in Altdorf zog es Matthias Nägele zurück in seine Heimat ins Allgäu. In mehreren Betrieben erklomm er die Karriereleiter, vom Commis Saucier bis hin zum Souschef. Nach abgeschlossener Meisterprüfung fing er vor 24 Jahren im Lamm bei Markus Polinski an. Mittlerweile ist der Küchenchef im Lamm, wenn er nicht gerade im Prüfungsausschuss der IHK Prüfungen abnimmt. Zudem war er von 2000 bis 2005 erfolgreich in der Ausstellermannschaft der Meisterverei-nigung Baden-Württemberg.
Was der Azubi noch nicht wusste …
TIPP VOM MEISTERKOCH – Einfach mal das ganze Produkt verarbeiten. Für die Füllung eines Bratens können z. B. Schulter & In-nereien (Herz, Niere) zu einer Farce verarbeitet werden, getreu nach dem Prinzip: From nose to tail – eben ein ganzheitliches Denken.
Alina Wolf freut sich schon besonders auf den Haupt-gang von Matthias Nägele: Milchlammrücken rosa gebraten in Lemberger-Reduktion auf Canelotti-Bohnen, Kartoffeln und Chorizo. Wer sich nicht gleich an einen Milchlammrücken herantraut, für den haben Markus Polinski und Matthias Nägele eine gelungene Alternative in petto: Milchlammhäxle in Grauburgunder geschmort auf Kartoffel-Oliven-Stampf und Frühlingslauch, ein Gericht, das auch Alina Wolf sehr gut gefällt, weil Geschmortes äußerst beliebt ist. Matthias Nägele würzt zunächst die Lammhaxen gut, brät sie in Butterschmalz von allen Seiten scharf an und nimmt sie nachfolgend beiseite. Im Ansatz schwitzt er ungeschälte kleingeschnittene Zwiebeln, Karotten und Knoblauch an. Hier achtet er darauf, dass sie etwas Farbe bekommen, tomatiert mit etwas Tomatenmark und schwitzt das Ganze farblos an. Danach löscht er den Ansatz zweimal mit Grauburgunder ab und lässt es immer wieder kräftig einreduzieren. Er bestäubt alles mit etwas Mehl, rührt nochmal kurz durch, gibt den restlichen Wein hinzu, legt die Haxen zurück in den Topf und füllt das Ganze mit Wasser auf. Die Haxen kocht er kurz auf und gibt sie abgedeckt bei 180 °C in den Umluft-Ofen. Dort schmoren sie für circa 120 Minuten. „Das Gericht ist durchgeschmort, wenn sich das Fleisch leicht von den Knochen ablösen lässt“, erklärt er uns. Die Haxen nimmt Matthias Nägele aus dem Topf, würzt die Soße nach, passiert sie und schmeckt sie final ab, bevor er die Haxen wieder hineingibt.
Für die Gnocchi schält Matthias Nägele Kartoffeln, lässt sie 40 Minuten in Salzwasser weichkochen, schüttet das Wasser ab und drückt die noch warmen Kartoffeln durch eine Spätzle-Presse in einen Topf. Er fügt Olivenöl und kleingehackte Taggiasche-Oliven aus Ligurien mit einem Holzlöffel hinzu. Den in 5 cm lange Stücke geschnittenen Frühlingslauch schwitzt er mit frischer Butter in einer Pfanne farblos an, schmeckt ihn mit Salz und Zucker ab und lässt ihn circa fünf Minuten dämpfen. Gekonnt richtet er das Milchlammhäxle auf dem Kartoffel-Oliven-Stampf an, nappiert die Soße und arrangiert etwas Frühlingslauch auf dem Teller.

Nun ist Alina Wolf mit ihrem Dessert an der Reihe: Variation von Rhabarber an Biskuittörtchen mit weißem Schokoladenmousse: Warum sie genau dieses Dessert gewählt hat? „Ich orientiere mich gerne an der Jahreszeit, da bietet sich Rhabarber im Frühjahr besonders an, und eine weiße Schokoladenmousse passt ja immer und macht die Schoko-Fans glücklich. Das Sorbet erfrischt das Ganze etwas. Im Frühjahr mag ich einfach gern „helle“ Desserts, die Lust auf Sommer und Sonne machen“, so Alina Wolf. (Anmerkung der Redaktion: Das Koch-Shooting fand zu Jahresbeginn vor Corona statt und war für die Frühjahrsausgabe geplant). Für das Rhabarber-Sorbet kocht sie das Rhabarber-Püree mit Zucker, Vanille, Zitronenabrieb und etwas Zitronensaft auf, friert es nachfolgend ein und fräst es im Pacojet durch. Zu Hause genügt das Durchmixen mit einem Stabmixer vor dem erneuten Einfrieren. Für das Rhabarber-Gelee erwärmt sie das Rhabarberpüree mit Zucker, löst die zuvor im kalten Wasser eingeweichte Gelatine darin auf und lässt alles erkalten. Für das Rhabarberkompott schneidet Alina Wolf den Rhabarber in kleine Stücke, um diese in das zuvor mit Portwein abgelöschte, aus Zucker hergestellte Karamell zu geben. Für den Biskuit trennt sie die Eier, schlägt das Eigelb mit Zucker schaumig, schlägt das Eiweiß steif, hebt das Mehl vorsichtig unter und lässt es bei circa 160 °C für etwa acht Minuten backen. Zu guter Letzt kocht sie für die Schokoladenmousse-Milch ab, gibt diese über die weiße Schokolade, löst die bereits in kaltem Wasser eingeweichte Gelatine darin auf und lässt die Mousse anschließend kalt werden. Nach dem Erkalten hebt sie die steif geschlagene Sahne unter und baut das Törtchen in einer entsprechenden Form. Alle Zutaten richtet sie fantasievoll Ton in Ton auf einem flachen Teller an.


10 FRAGEN AN ALINA WOLF
Koch/Köchin werde ich, weil es einfach toll ist, aus frischen Produkten so viel Neues zu zaubern und andere Menschen damit glücklich zu machen.
Mein Schlüsselerlebnis: Mein erster Wettbewerb in Aalen.
Am meisten bewundere ich, dass es mit unserem Beruf egal ist, an welchem Ort der Welt man sich befindet, weil man immer irgendwo arbeiten oder selbst etwas aufbauen kann.
Meine große Stärke ist, dass ich mit vielen Menschen auskomme und mich einfügen kann, dennoch habe ich meinen eigenen Kopf und versuche, den auch mit einzubringen und mich durchzusetzen.
Schwach werde ich für gutes Essen, egal, ob es „nur“ Kässpätzle sind oder ein Abend in einem Sternerestaurant.
Besonders stolz bin ich auf meine Entwicklung in den letzten Jahren, gerade auch durch die Ausbildung auf Burg Staufeneck bei Rolf Straubinger.
Am liebsten koche ich mit frischen Produkten, um möglichst das ganze Produkt zu verwenden. Es ist immer schön, wenn man aus Abschnitten neue Dinge gestalten kann.
In meiner Freizeit bin ich oft zu Hause und versuche, Zeit mit meiner Familie zu verbringen. Ich bin aber auch gerne auf Reisen.
Meine Leibspeise: Schwer zu sagen, es gibt so viel Gutes, ich könnte mich nicht entscheiden, was mein absoluter Favorit ist.
Unbedingt entdecken will ich die Welt, auch wenn es sich klischeehaft anhört

10 FRAGEN AN MATTHIAS NÄGELE
Meister bin ich seit März 1996
Mein (eigentlicher) Berufswunsch: Schon immer Koch. (Ich würde es wieder machen)
Am meisten bewundere ich Leute, die sich in der heutigen Zeit noch selbstständig machen
Meine große Stärke ist der Umgang mit Menschen und die Einstellung zum Betrieb.
Schwach werde ich für Hefeweizen
Besonders stolz bin ich auf meine neue Stihl-Motorsäge
Am liebsten koche ich Schmorgerichte (Ochsenschwanz, Sauerbraten, Rouladen)
In meiner Freizeit „wurschtel“ ich gerne ums Haus rum oder gehe mit meiner Frau und unserem Hund einkehren.
Meine Leibspeise: Cordon bleu
Was ich unbedingt entdecken will eine bessere Welt ohne Kriege und Krankheiten
Bei der gemeinsamen Abstimmung der Weine auf das Menü brillieren Sylvia und Markus Polinski. Alina Wolf hört den beiden gespannt zu. Bislang konnte sie noch nicht so viel Erfahrung zum Thema Speise & Wein ging sammeln. Zur Vorspeise, den Rosmarinspießle vom Milchlammfilet auf Kartoffel-Gnocchi in Spinatrahm, wird ein 2015 Deidesheimer Herrgottsacker Riesling vom Weingut Reichsrat von Buhl ausgesucht. Die dezente Aromatik von Milchlamm und Rosmarin ergänzt gut die Mineralik und die helle Fruchtnoten des Weins. Der Spinatrahm hebt zudem den samtigen Körper des Weins hervor. Eine gute Wahl! Der 2018 WEINHOF Christian Schaal Lemberger trocken bietet eine optimale Ergänzung zum Milchlammrücken rosa gebraten in Lemberger-Reduktion auf Canelotti-Bohnen, Kartoffeln und Chorizo. Die dunklen Früchte harmonieren perfekt zur Soße. Besonders die gebratenen Kartoffelwürfel fangen die samtigen Tannine des Weins ab und die zarte Würze des Milchlamms spiegelt sich im Wein wider. Für den alternativen Hauptgang Milchlammhäxle in Grauburgunder geschmort auf Kartoffel-Oliven-Stampf und Frühlingslauch wird ein 2017 Tramin Unterebner Pinot Grigio von der Cantina Tramin aus Südtirol gewählt. Durch die aromatische Textur, besonders durch die reduzierte Soße, passt der doch kräftige Grauburgunder besonders gut. Gerade das Gemüse fängt die hellen Aromen des Weins gekonnt auf, die Oliven schmiegen sich perfekt an die Mineralität des Weins. Zum Dessert von Alina Wolf, der „Variation vom Rhabarber“, passt der 2019 Muskateller MU der Remstal-kellerei perfekt. Die weiße Schokoladenmousse fügt sich geschmeidig dem samtigen Körper des Muskatellers an, das Rhabarber-Sorbet bildet einen gelungenen Kontrast und hebt die frische Note des Muskateller. Bei der abschließenden Weinverkostung wird den Protagonisten klar, dass der Tag für alle extrem spannend war. Meisterkollege Matthias Nägele konnte viele wert-volle Tipps an Alina Wolf weitergeben, die ebenfalls immer wieder mit frischem Input auftrumpfte. Dazu steuerten Sylvia und Markus Polinski noch ihr Weinwissen bei. Der Auftakt zur neuen Serie „Azubi trifft Meister“ hat gezeigt, dass dieses kulinarische Zusammentreffen eine Bereicherung für alle sein kann. Ein besonderer Dank gilt deshalb allen Protagonisten, die sich darauf eingelassen und ihren sonntäglichen Ruhetag dafür geopfert haben.
Bildnachweis:
Philipp Sedlacek