FOOD-BLOGGERIN TRIFFT MEISTER –
DARF'S ETWAS MEER SEIN?

Für das Koch-Shooting der Winterausgabe des Meistermagazins bleiben wir im Osten Baden-Württembergs. Diesmal führt uns der Weg nach Schwäbisch Gmünd, zu Marcus Krietsch in das Restaurant Fuggerei. Auf unserem Weg dorthin werden wir vom idyllischen Flusslauf der Rems begleitet. Früh am Morgen liegt der Ort im Oberen Remstal noch verträumt in leichtem Nebel, was der historischen Altstadt zusätzlichen Flair verleiht, stehen hier doch die ältesten Steinhäuser der Stadt, zu denen sich auch das Restaurant Fuggerei zählen darf, das direkt am historischen Heilig-Kreuz-Münster liegt. Dort finden wir unsere heutigen Gastgeber: Meisterkoch Marcus Krietsch und Mâitre de Cuisine Benjamin Keller.
Beide sind keine Unbekannten: Benjamin Keller absolvierte seine Ausbildung bei Bernhard Reiser im Ein-Sterne-Restaurant REISERS in Würzburg und schloss diese 2007 mit Auszeichnung ab; Marcus Krietsch erkochte bereits 2003 mit seinem Team im Landgasthof am Königsweg in Ohmden einen Stern. Damals brachte ihm das den Titel „jüngster Sternekoch Deutschlands“ ein. Seit über acht Jahren sind die beiden ein eingespieltes Team. Beide kochten bereits im Restaurant „Pfauen“ in Schorndorf zusammen, in dem Marcus Krietsch als Küchenchef und Geschäftsführer tätig war. Inzwischen trägt Benjamin Keller die Küchenverantwortung des Restaurants Fuggerei und stärkt Marcus Krietsch damit den Rücken, der inzwischen auch mit seinem zweiten Standbein als gastronomischer Berater international tätig ist.
Nach Lehrjahren im Hotel Bareiss in Baiersbronn und als Chef Patissier bei Heinz Winkler in der „Residenz Heinz Winkler“ in Aschau startete Marcus Krietsch seine erste Selbstständigkeit bereits mit 22 Jahren, indem er das Golfrestaurant in Bad Überkingen übernahm. Danach ging alles ganz schnell: 2003 erkochte er den Stern, nach über sieben Jahren entschied er sich für ruhigere Gewässer und übernahm das Restaurant „Pfauen“ und vor fünf Jahren das Restaurant Fuggerei in Schwäbisch Gmünd. Seine Kochausbildung toppte Marcus Krietsch noch, als er 2015 als Prüfungsbester die Küchenmeisterprüfung an der Landesberufsschule Bad Überkingen bestand.
Die beiden Männer empfangen uns herzlich, als wir das geschichtsträchtige Gebäude betreten. Wir fühlen uns sofort wohl – und das liegt nicht nur am herzlichen Empfang, sondern auch an der angenehmen Atmosphäre, die das Restaurant durch romanische Mauerreste und das Kreuzgrat-Gewölbe erhält. Marcus Krietschs Motto „Wer immer tut, was er schon kann, bleibt immer das, was er schon ist“ spiegelt sich in seinen Kreationen wider – so sind wir mit unserem Thema Kabeljau & Jakobsmuschel perfekt bei ihm aufgehoben. Der Meisterkoch verbindet gerne regionale Zutaten mit internationalen Köstlichkeiten und vermittelt uns so völlig neue Kreationen.

Dementsprechend bereiten wir als Vorspeise mit Blutwurst gratinierten Kabeljau, Mango-Ragout und Belugalinsen zu. Marcus Krietsch hat bereits den Kabeljau in Stücke geschnitten. Wir schneiden die Blutwurst dünn auf und bräunen parallel etwas Butter in einer Pfanne. Die Kabeljaustücke braten nur kurz in der Nussbutter, dann nehmen wir sie aus der Pfanne und bedecken sie vorsichtig mit den Blutwurstscheiben. Anschließend darf der Fisch in die Kühlung.
Für das Mango-Ragout schwitzen wir die Schalotte farblos in Butter an und geben dann direkt die gewürfelte Mango dazu. Marcus Krietsch würzt das Ragout mit Himbeeressig, Zucker, Salz und Pfeffer und lässt es kurz köcheln. Damit es nicht zu weich wird, geben wir das Ragout zum Abkühlen direkt in ein kaltes Gefäß. Anschließend schwitzt der Meisterkoch Schalotten, Karotten, Belugalinsen und Tomatenmark in Rapsöl an und löscht mit Rotwein ab. Unter ständigem Rühren geben wir die Kalbsjus nach und nach zu den Linsen und lassen diese langsam köcheln. Als wir mit der Konsistenz der Linsen zufrieden sind, binden wir diese mit etwas Butter und würzen mit Salz, Zucker und Balsa-mico. Der Kabeljau darf jetzt nur noch kurz in den Ofen, um die Blutwurst cremig darüber zu gratinieren, und schon ist unsere erste Vorspeise fertig.
Dazu harmoniert besonders gut der Premium Chardonnay*** der Remstalkellerei. Der Schmelz der Blutwurst in Kombination mit dem Kabeljau puffert gekonnt die frische Säure des Chardonnays ab. Die exotischen Noten von Papaya und Ananas unterstützen gekonnt das Mango-Ragout und die leichten Belugalinsen.
Unsere Experten

RESTAURANT FUGGEREI – MARCUS KRIETSCH
Die Fuggerei am Münsterplatz in der Altstadt von Schwäbisch Gmünd ist ein geschichtsträchtiger Ort. Erstmals urkundlich erwähnt im 13. Jahrhundert ging das Gebäude 1601 in den Besitz der Fugger über. Anton Graf Fugger zu Kirchberg und Weißenhorn ließ sich dort in zweiter Generation nieder. Ende des 17. Jahrhunderts tauchte erstmals der Name Fukkerey auf, der sich im Laufe der Zeit in Fuggerei wandelte. Das zweigeschossige Fach-werkhaus zählt zu den ältesten Steinhäusern der Stadt. Nach dem Dreißigjährigen Krieg diente das Gebäude unter anderem als Waffenfabrik, als Waisenhaus, aber auch als Gefängnis, bevor es dann lange Jahre als Wohn- und Lagerhaus genutzt wurde. Nach umfangreichen Sanierungsarbeiten eröffnete 1980 erstmals ein Restaurant in diesem historischen Gebäude. 1985 fiel es einem Brand zum Opfer, wurde aber direkt wiederaufgebaut und 1986 wiedereröffnet. Seit 2004 betreibt Marcus Krietsch, ehemals jüngster Sternekoch Deutschlands, die Fuggerei. Seither ist das Restaurant bekannt für seine gekonnt schwäbisch-internationale Küche. Marcus Krietsch versteh es wie kein anderer, regionale und saisonale Produkte mit internationalen Köstlichkeiten zu kombinieren. Dabei ist er besonders für seine ausgefallenen Kreationen bekannt. Wer zudem schon immer mal unter einem historischen Kreuzgrat-Gewölbe speisen wollte, sollte sich die Fuggerei nicht entgehen lassen. Doch Vorsicht – reservieren ist angesagt

KERSTIN GETTO – COOKING AFFAIR
Wie unsere Leser bereits wissen, ist Kerstin Getto Foodbloggerin aus Leidenschaft. In unserem sechsten Workshop rund um das Thema Filderkraut hat sie im September zwei Meistern über die Schulter schauen können. Einmal mehr hat sie somit den Blick über die Landesgrenze nach Baden-Württemberg gewagt und mit Bernd Schlecht und Tim Hornung zwei überraschend kreative und regional versierte Köche getroffen, die sie schnell überzeugen konnten, mehr Kraut zu essen. Entstanden sind wie für jede Ausgabe vier Rezepte, die Sie leicht zu Hause nachkochen können. Sie finden übrigens alle Rezepte unserer vergangenen Workshops auf der Webseite. Schauen Sie vorbei auf https://meistervereinigung.de/rezepte

Auch im ersten Hauptgang zeigt Marcus Krietsch seine Kreativität: Konfiertes Kabeljaufilet, falsche Kohlen, Seppioline fritti und Tomate. Dabei sind die frischen Seppioline (Tintenfisch) etwas Neues für mich. Ich habe noch nie ein ganzes Tier verarbeitet. Marcus Krietsch nimmt sich geduldig die Zeit, mir alles zu erklären und zu zeigen. Am Ende bin ich so motiviert, dass ich mir vornehme, mich sehr bald alleine an einen Tintenfisch zu wagen. Unser Kabeljau schwimmt derweil mit Olivenöl vakuumiert bei 46°C für etwa 30 Minuten im Sous-Vide-Becken. Es ist an der Zeit für die Gnocchi: weich gekochte Kartoffeln drücken wir ausgedämpft durch die Kartoffelpresse. In die Kartoffelmasse arbeitet Marcus Krietsch nach und nach Ei mit Salz, Muskat, Mehl und Tintenfischfarbe unter. Aus dem Kartoffelteig stechen wir anschließend kleine und ungleichmäßig kantige Stücke ab und lassen diese vorsichtig in kochendem Wasser garen. Die bereits fertig geputzten Seppioline-Stücke mischen wir mit etwas Mehl und frittieren sie in heißem Fett einfach mit etwas Meersalz bestreut: eine Köstlichkeit.
Jetzt zaubern wir ein wenig, denn der Gastgeber hat bereits Tomatensaft vorbereitet. Diesen bindet er mit etwas Algin und gibt die entstandene Flüssigkeit vorsichtig tropfenweise in mit Calcid dispergiertes Wasser. Nach etwa einer Minute bildet sich ein feines Häutchen um unsere Tropfen, die er vorsichtig herausnehmen und mit klarem Wasser spülen kann – ein Knaller im Mund!
Zum Anrichten glasieren wir die fertigen Gnocchi in etwas Butter und Tomatensaft. Den sanft gegarten Kabeljau lassen wir vorsichtig auf Küchenkrepp abtropfen und platzieren das Filet dann auf den Gnocchi. Final setzt Marcus Krietsch die Tomaten- Sphären und die Seppioline um den Kabeljau. Ein wirklich besonderer Teller!
Als Wein kombinieren wir den 2017 Weißer Löwe vom Weingut Graf Adelmann. Das konfierte Kabeljaufilet mit seiner leicht salzigen Note setzt gekonnt einen Kontrast zur Cuvée aus Riesling, Weißburgunder und Grauburgunder. Die „falschen Kohlen“ – Gnocchis gefärbt mit Sepia-Tintenfischfarbe – fangen die gut vorhandene Säure der Cuvée auf und schmiegen sich wunderbar an den aussagekräftigen Körper des Weines an. Den Clou bildet der dezent cremige Riesling-Schaum, der den Wein bestätigt. Die fruchtsüßen Tomaten bilden dabei das i-Tüpfelchen

Nach Festlegung des Food-Themas stand schnell fest, dass zwei Menüs gekocht werden – einmal unter dem Thema Kabeljau, einmal unter dem Thema Jakobsmuschel. Unsere zweite Vorspeise lautet daher Carpaccio von der Jakobsmuschel mit Orangenfilets, roten Zwiebeln und schwarzem Reis – und ist damit genauso fantasievoll wie die vorherigen Gerichte. Dafür beginnen wir mit wirklich frischen Jakobsmuscheln. Diese schneiden wir vorsichtig sehr dünn auf und stellen die Scheiben kalt. Für den Reis schwitzen wir Zwiebelwürfel in Öl an, geben den schwarzen Reis dazu und bräunen diesen mit an. Wie bei einem Risotto löschen wir den Reis mit einem Schuss Rotwein ab und lassen ihn unter ständigem Rühren und unter Zugabe von Brühe langsam köcheln, bis der perfekte Gargrad erreicht ist. Für die Orangensauce karamellisieren wir den Zucker, geben Orangensaft dazu und lassen die Flüssigkeit auf etwa 50 ml einkochen. Nun dürfen auch Chili und Zitronensaft dazu. Vor dem Servieren werden wir noch saftige Orangenfilets darum herum drapieren – ein fruchtiges Highlight.
Kleine Zwiebelspalten schwitzen wir in Butter und etwas Zucker an, gießen mit Rotwein und Essig auf und lassen alles vorsichtig köcheln, bis nur noch wenig von dem Rotweinfond im Töpfchen bleibt. Das Anrichten ist für Marcus Krietsch eine wahre Kunst: Er verteilt kleine Kleckse vom Reis und der Sauce quer über einen Teller, belegt diese mit einem Orangenfilet und Zwiebelstreifen. Final mariniert er die Jakobsmuscheln in einer aus Olivenöl, Zitrone, Trüffel- Öl, Salz und Zucker hergestellten Marinade und drapiert diese auf dem Reis. Schon pur sind die Jakobsmuscheln mit der Marinade ein Hochgenuss!
Doch dem nicht genug, der 2017er Riesling Kieselsandstein vom Weingut Beurer aus Württemberg harmoniert wunderbar mit der frischen Jakobsmuschel, die nur leicht mit einer zitronigen Marinade beträufelt wurde. Die rote Zwiebel und die leicht grüne Schärfe des Schnittlauchs in Kombination mit den fruchtigen Orangenfilets fangen die ausgeprägte Aromenvielfalt des Weines gekonnt ein. Reife gelbe Früchte verleihen dem Wein einen schönen Körper, der wiederum gut zu den samtigen Aromen des Gerichts passt.

Für unsere letzten Teller an diesem Tag – Variation vom Hokkaidokürbis mit gebackenen Jakobsmuscheln und Curry – panieren wir frische Jakobsmuscheln in Panko und stellen diese bis zum Anrichten kalt. Marcus Krietsch hat bereits vorsichtig Kürbisspalten in Butter konfiert – Butter ist immer eine gute Idee! Die Spalten sind wahrlich sehr zart und zergehen auf der Zunge. Die Abschnitte vom Kürbis hat er zu einem feinen Püree und einem cremigen Sorbet verarbeitet. Zuletzt werden noch kleine Würfel vom Kürbis zu einem süß-sauren Spaß kreiert. Dazu karamellisieren wir Zucker in einer Sauteuse, löschen mit Wasser sowie Balsamicoessig ab und lassen die Kürbiswürfel mit Vanille, Ingwer, Zimt und Sternanis so lange köcheln, bis der Kürbis al dente ist. Zuletzt richtet Marcus Krietsch alle Komponenten dekorativ auf dem Teller an und schließt mit den im frischen Öl ausgebackenen panierten Jakobsmuscheln ab.
Dazu kombinieren wir den Premium Sauvignon Blanc*** der Remstalkellerei. Die in getrockneten Blüten und Panko ausgebackene Jakobsmuschel benötigt die Aromenkombination mit dem Hokkaido-Kürbis. Das Hokkaido-Eis mit seinem leichten zitronigen und orangigen Geschmack fängt die Stachelbeer-Nuancen des Weines ab. Die Hokkaido-Paste hingegen bringt mit ihren würzigen Noten den Kontrast zu den fruchtigen Aromen von Grapefruit und reifer Melone. Diese harmonieren wunderbar zum cremigen Currysüppchen, das einen leichten Asiatouch aufweist. Eine gelungene Kombination.
Nach diesem erlebnisreichen und kreativen Tag verabschieden wir uns zu-frieden und vollgepackt mit neuen Ideen gen Heimat. Vor allem möchte ich ab nun auch öfter mutiger einzelne Produkte kombinieren, getreu dem Motto von Meisterkoch Marcus Krietsch. Seien auch Sie mutiger und probieren Sie häufiger etwas Neues in der Küche aus. Und falls Sie mal nicht kreativ sein möchten, so besuchen Sie doch das Restau-rant Fuggerei in Schwäbisch Gmünd. Ich bedanke mich ganz herzlich bei Marcus Krietsch und Benjamin Keller für ihre Zeit und all das neue Wissen, das ich nun mein Eigen nennen darf. Ich komme wieder, keine Frage!

Bildnachweis:
Philipp Sedlacek