FOOD-BLOGGERIN TRIFFT MEISTER –
WARUM IN DIE FERNE SCHWEIFEN

Für unser bisher östlichstes Koch-Shooting machen wir uns am frühen Morgen auf nach Aalen, an die Landesgrenze Baden-Württembergs zu Bayern. Wir verlassen die A8 bei Wendlingen und nehmen die idyllische Route entlang der Fils bis nach Göppingen, bevor wir über Lorch und Schwäbisch Gmünd nach Aalen gelangen. Von Aalen ist es nur noch ein Katzensprung nach Wasseralfingen, im Tal des oberen Kocher gelegen, in der sogenannten Aalener Bucht am nordöstlichen Rand der Schwäbischen Alb. Hier können wir unseren heutigen Gastgeber nicht verfehlen: das Restaurant und Hotel „Wilder Mann“ mit Meisterkoch Andreas Högg.
Andreas Högg ist bereits in jungen Jahren weit gereist. Nach einer klassischen Kochausbildung im Landhaus Feckl – in dieser Zeit gewann er unter Franz Feckl auch den MVG-Nachwuchs-Kochwett bewerb „Die Besten 10“ – zog es ihn in die Landlust Burg Flamersheim. Dort war er sowohl für das Gasthaus als auch für das Gourmetrestaurant Bembergs Häuschen zuständig. Am Gardemanger – die kalte Küche – sowie am Entremetier – verantwortlich für Suppen, Saucen und kleinere Zwischengerichte – sammelte er erste wichtige Erfahrungen. Weitere Stationen waren das Burg Vital Resort Oberlerch, das damalige Zwei-Sterne-Restaurant Fährhaus Sylt und ein Auslandsaufenthalt in Neuseeland. Nach Absolvierung des Küchenmeisters in Heidelberg führte er seine Laufbahn fort im Engel in Obertal in Baiersbronn – dem Schwesternhotel des Fährhaus Sylt – bevor es ihn zurück in heimische Gefilde zog. Wieder im elterlichen Betrieb nahm er sich zunächst Zeit, um seine Selbstständigkeit zu planen – die Übernahme des „Wilden Mannes“ und gleichzeitig den Neubau des jetzigen Hotels. 2017 war es dann so weit: Das Hotel „Wilder Mann“ eröffnete mit 24 Einzel- und Doppelzimmern sowie 3 Apartments.
Im gleichen Jahr übernahm Andreas Högg auch offiziell den Führungsstab von seinem Vater. Der „Wilde Mann“ – 1938 noch eine Metzgerei mit Vesperstube – wurde bereits 1955 von seinen Großeltern unter gleichem Namen als Gasthaus wiedereröffnet. Im Jahr 1991 übernahmen die Eltern von Andreas Högg die Regie und nach einer erneuten umfangreichen Neugestaltung mauserte sich das ehemalige Gasthaus zum beliebten Restaurant und zur Anlauf stelle für Jung und Alt.

Mit unserem heutigen Thema „Wiesenkräuter & Urgetreide“ treffen wir bei Meisterkoch Andreas Högg genau ins Schwarze. Er hat nicht nur eine Vielzahl an Wiesenkräutern direkt um das Restaurant verfügbar, auch sein Wissen über alte Getreidesorten ist einfach enorm.
Wir beginnen mit einer cremigen Sauerampfer-Suppe mit Champignons, Hafer-Crumble und Ziegenfrischkäse. Für die Sauerampfer-Suppe hat Andreas Högg bereits eine würzige Grundbrühe gekocht. In dieser Brühe kochen wir die Kartoffeln weich und pürieren diese dann mit einem Pürierstab cremig fein. Der Hafer-Crumble ist so denkbar einfach wie raffiniert. Wir mischen glasig angedünstete Schalottenwürfel mit Honig, Zucker, Salz, Haferflocken und frischen Thymianblättchen und verteilen die Streusel auf ein Backblech.
Im vorgeheizten Backofen haben wir im Nu goldbraun gebackenen Crumble – zum Wegnaschen köstlich! Den Ziegenkäse schmecken wir mit Salz, Pfeffer und Cayennepfeffer ab und rollen die Masse zu kleinen Kügelchen – mit etwas Übung werden diese gleichmäßig groß und schön rund. Den frischen Sauerampfer mixen wir mit etwas Gemüsebrühe sehr fein und geben diese Mischung dann zu der Suppe – was für ein herrliches Grün! Mit Sahne und Schmand verfeinert können wir den Teller direkt servieren: eine wahre Augenweide. Zu der Sauerampfer-Suppe kombinieren wir einen trockenen 2017er Roten Riesling vom Weingut Bernhard Ellwanger aus Württemberg. Er harmoniert wunderbar mit dem Ziegenfrischkäse und dem selbst gemachten Hafer-Crumble. Die
leichte Honignote des Crumbles unterstützt dabei die filigrane ausgewogene Süße des Rieslings. Die dezente Säure der cremigen Sauerampfer-Suppe verleiht dem Wein den notwendigen Kontrast – eine gelungene
Kombination!
Unsere Experten

RESTAURANT & HOTEL „WILDER MANN“
ANDREAS HÖGG
In Wasseralfingen, nur einen Sprung von Aalen entfernt, liegt das familiengeführte Restaurant & Hotel „Wilder Mann“. Wasseralfingen war bis 1975 eine eigenständige Stadt, bevor es Aalen zugesprochen wurde. Geschichtliche Meilensteine waren die Verleihung des Marktrechts 1828 sowie der industrielle Aufschwung bis 1860, 1876 wurde in Wasseralfingen sogar die erste Zahnradbahn Deutschlands in Betrieb genommen. Auch der „Wilde Mann“ kann mit einer über 75-jährigen Tradition aufwarten. Seit 1938 findet man hier gelebte Gastlichkeit mit großer Leidenschaft und viel Liebe zum Detail. 2017 übernahm Andreas Högg den Familienbetrieb von seinem Vater Hubert. Kurz danach wurde der direkt nebenan befindliche Hotelneubau mit modernem Komfort eröffnet. In ihm gastiert zurzeit das Restaurant „Wilder Mann“, da sich die traditionelle Wirtsstube im Umbau befindet. Doch das tut dem Genuss keinen Abbruch – im Gegenteil. Die regionalen Speisen mit internationalem Hauch lassen sich perfekt auf der neu angelegten idyllischen Gartenterrasse genießen. Angefangen von Maultaschen und schwäbischem Zwiebelrostbraten bis hin zu hausgemachten Schlutzkrapfen und einer feurigen Bananensuppe – Andreas Högg liebt das Spiel mit den Aromen. Wer in der Region Aalen unterwegs ist, sollte sich daher die kreative, frische Küche der Höggs mit ihrer modernen Kulisse nicht entgehen lassen.

KERSTIN GETTO
COOKING AFFAIR
Wie unsere Leser bereits wissen, ist Kerstin Getto Foodbloggerin aus Leidenschaft. In unserem sechsten Workshop rund um das Thema Filderkraut hat sie im September zwei Meistern über die Schulter schauen können. Einmal mehr hat sie somit den Blick über die Landesgrenze nach Baden-Württemberg gewagt und mit Bernd Schlecht und Tim Hornung zwei überraschend kreative und regional versierte Köche getroffen, die sie schnell überzeugen konnten, mehr Kraut zu essen. Entstanden sind wie für jede Ausgabe vier Rezepte, die Sie leicht zu Hause nachkochen können. Sie finden übrigens alle Rezepte unserer vergangenen Workshops auf der Webseite. Schauen Sie vorbei auf https://meistervereinigung.de/rezepte

Als Zwischengang bereiten wir einen Saibling vom Kocherursprung mit Mangold, körnigem Frischkäse, Einkorn- Hanf- Maultäschle und Vogelmiere zu. Für mich ist es eine Premiere, mit Hanfmehl zu kochen und ich habe keine Ahnung, was mich erwartet. Als wir es mit dem Einkornmehl und etwas Gries auf der Arbeitsfläche verteilen, nehme ich ein nussiges Aroma wahr und so schmeckt das Hanfmehl auch – es ist sehr dunkel und schmeckt schön nussig – ich freue mich auf die Maultaschen.
Der Teig ist mit geübten Händen rasch geknetet und darf nun etwas ruhen. Wir blanchieren in der Zwischenzeit knackige Mangoldblätter und schneiden diese fein. Der Mangold ergibt vermengt mit Tomatenwürfeln, Sonnenblumenkernen, Leinsamen, Kürbiskernen, etwas Knoblauch und körnigem Frischkäse eine delikate Füllung. Wir würzen diese noch mit etwas Salz, Pfeffer und gemahlenem Kümmel. Nun widmen wir uns wieder dem Nudelteig, den wir mithilfe einer Nudelmaschine zu einer dünnen
Platte auswellen. Die Teigplatten schneiden wir in ca. 4 cm dicke Streifen und pinseln die obere Kante mit etwas Eigelb ein. Andreas Högg verteilt die Füllung gekonnt auf den Nudelplatten und klappt diese ein. Mit einem Kochlöffelstiel dreht er die einzelnen Maultaschen ab und schneidet diese mit einem Messer ab. In gesalzenem Wasser sind unsere Einkorn-Hanfmaultäschle schnell gar.
Gemeinsam filetieren wir frische Saiblinge, ent fernen die Haut und ziehen die Gräten. Zwischen die mit Salz und Pfeffer gewürzten Saiblingfilets legen wir je ein Mangoldblatt und wickeln beides zuerst in Klarsicht folie und zusätzlich in Alufolie zu einer Rolle ein. Fest eingeschlagen darf der Fisch nun für ein paar Minuten in den Dampfgarer. Derweil würzen wir etwas körnigen Frisch käse mit Limettenabrieb, Limettensaft, Salz, Pfeffer und Walnussöl. Alle Komponenten zusammen auf dem Teller ergeben eine perfekte Gesamtkomposition – köstlich! Was würde dazu besser passen als der 2018er Riesling *** aus der Remstal kellerei. Die leichten Limettennoten des Frischkäses sowie der dezent herbe Mangold bilden ein schönes Zusammenspiel mit der harmonischen Süße des Weins. Und auch die Säure des Weines wird gut durch den zarten Saibling in Verbindung mit den Einkorn-Hanf-Maultäschle abgefangen. Das macht Lust auf mehr!

Nachdem wir bereits zwei Gänge erfolgreich hinter uns gelassen haben, beginnen wir mit den Vorbereitungen für den Hauptgang – Bio-Huhn an Emmer, Mais, Pfifferlingen, Passionsfrucht mit Schafgarbe und Quendel. Andreas Högg hat den Emmer bereits gegart und so können wir uns direkt der Zubereitung des Huhns widmen. Dieses zerteilen wir gewaschen in Brust und Keule. Ich lerne heute wieder eine ganz neue Technik, die ich sicher adaptieren werde. Die Keulen braten wir mit etwas Öl von allen Seiten an und würzen mit Pfeffer und Salz. Anschließend dürfen die Keulen kurz ruhen.
Derweil rösten wir Zwiebeln, Karotten, Sellerie und Tomatenmark an. Mit einem Lemberger löschen wir großzügig ab und legen die Keulen wieder in den Bräter. Jetzt dürfen sie für einige Zeit in den Ofen. Der Emmer wird zum Servieren mit einer Passionsfrucht-Nage verfeinert. Diese ist denkbar einfach hergestellt: Das Passionsfruchtmark und etwas Zucker werden erhitzt, das Fruchtfleisch mit den Kernen einer Passionsfrucht hinzugegeben und ganz leicht mit Speisestärke abgebunden. Zum Schluss wird das Ganze noch mit einem Schuss Passionsfrucht-Essig verfeinert.
Dazu servieren wir gebratene Pfifferlinge und Mais. Wieder ist ein toller Teller fertig, so kann es weitergehen. Diesmal wählen wir einen hundertprozentigen Pecorino, genauer den 2017er Rêve Offida Pecorino vom Weingut Velenosi aus den Marken in Italien. Der eher üppige Weißwein stellt einen idealer Begleiter zum knusprigen Bio-Huhn von Andreas Högg dar. Der kernige Emmer reiht sich in das Geschmackerlebnis ein und bildet mit seiner Textur einen interessanten Kontrast. Die lebendige Säure wird gut durch die fruchtsüße Passionsfrucht aufgefangen. Eine tolle erfrischende Kombination.
Nach einer kurzen Pause nähern wir uns dem Finale – dem Dessert: Variation von der Zwetschge mit Buchweizen, Schokolade und Sauerklee. Ich bin gespannt, wie sich die Aromatik des Buchweizens mit der Zwetschge vereinbaren lässt. Die frischen Zwetschgen pürieren wir fein im Mixer, zusammen mit Zucker, Zitronensaft und Zwetschgenwasser. Diese Masse streichen wir durch ein feines Sieb und lassen sie in der Eismaschine gefrieren – fertig ist das Sorbet.
Für das Parfait erhitzen wir langsam unter ständigem Rühren Zwetschgen mit Zucker in einem Topf bis die Masse sämig und etwas dunkel ist. Dann schmecken wir mit Zimt und Zwetschgenwasser ab. Auf einem Wasserbad schlägt Andreas Högg Eigelbe zusammen mit Zucker schaumig auf und rührt vorsichtig die Zwetschgenmasse unter. In Eiswasser kaltgerührt darf nun noch geschlagene Sahne zu der Masse, anschließend kann diese eingefroren werden.
Am Vortag hat Meisterkoch Andreas Högg schon eine cremige Mousse au Chocolat zubereitet, die besonders gut zu unserem Dessertteller passt. Dafür hat er etwas Kuvertüre auf einem Wasserbad geschmolzen und mit schaumig geschlagenem Eigelb, Kaffeelikör und Gelantine verrührt. Nachdem noch geschlagene Sahne und Eischnee untergehoben wurden, wird die Mousse kalt gestellt. Der Backteig für die gebackenen Zwetschgen besteht aus schaumig geschlagenem Eigelb mit Zucker, Mehl und Riesling. Dazu kommt noch Eischnee und schon können die Zwetschgenhälften mit dem Teig ausgebacken werden.
Unseren Buchweizen-Crumble kneten wir aus Mehl Typ 550, braunem Zucker, Buchweizenmehl, Salz, Mandelpuder und Butter zu Bröseln. Diese backen wir im heißen Ofen knusprig. Ich könnte sie direkt alle vernaschen! Dieser Teller ist ein krönender Abschluss eines besonderen Menüs rund um das Thema „Wiesenkräuter & Urgetreide“.

Als Wein zum Dessert kombinieren wir den 2018er Schnaiter Wartbühl Kerner „Lerche“ von der Remstalkellerei in Weinstadt. Der Kerner entpuppt sich als gelungene Kombination sowohl zu den Zwetschgen als auch zu den zarten Aromen von Mandel und Salz im Buchweizen-Crumble. Der leicht herbe Sauerklee setzt ebenfalls einen gekonnten Akzent zum restsüßen Kerner. Die Schokoladenmousse fängt in ihrer Cremigkeit die filigrane Säure des Weines ab und die Zwetschgen im Teigmantel liefern einen nötigen Puffer. Das Erdbeer- Parfait, das Andreas Högg noch auf den Teller gezaubert hat, beflügelt durch seine Frische die exotischen Aromen des Kerners. Auch im Wein ein gelungener Abschluss des fantasievollen 4-Gang-Menüs!
Wir haben heute viel gelernt über „Wiesenkräuter & Urgetreide“ und darüber, wie köstlich und besonders vielfältig diese in der Küche eingesetzt werden können. Es war wieder eine besonders inspirierende Erfahrung für mich, mit einem Meisterkoch zusammenzuarbeiten und ihm über die Schulter schauen zu dürfen. Ich bedanke mich ganz herzlich bei Andreas Högg und seiner Familie, die uns diesen Tag möglich gemacht haben. Schauen auch Sie unbedingt im Restaurant und Hotel „Wilder Mann“ vorbei und lassen Sie sich von Andreas Högg und seinem Team meisterlich verwöhnen! Ich jedenfalls werde den Verdacht nicht los, dass ich nicht das letzte Mal in Wasseralfingen gewesen bin!
Bildnachweis:
Philipp Sedlacek