FOOD-BLOGGERIN TRIFFT MEISTER –
ES MUSS NICHT IMMER SUPPE SEIN
Kürbis mal anders
FOOD-BLOGGERIN TRIFFT MEISTER
Kraftvoll verdrängt die zarte Sonne die herbstlichen Morgennebel, als wir zu früher Stunde über Mühlacker ins beschauliche Bönnigheim fahren. Ganz bewusst haben wir die Landstraße gewählt, um einen Teil Baden-Württembergs zu durchstreifen, den man leider viel zu selten zu Gesicht bekommt. Kurzweilig ist deshalb die Reise und gänzlich staufrei. Früher als erwartet verrät die Navigation, dass es nicht mehr weit ist zum Bönnigheimer Schloss. Das ist auch gut so, denn enger sollten die Gässlein jetzt nicht mehr werden, durch die wir uns manövrieren.
Einen Teil vom Kürbis hatte Jörg Berghoff bereits sauer eingelegt, mit herrlichen Gewürzaromen
aus Wacholder, Safran und Sternanis. Fast hätte ich ihm das komplette Glas weggenascht.
In direkter Nachbarschaft zum spätbarocken Schloss befindet sich der Adler, wo Andreas Müller, Patron und selbst Küchenmeister, uns herzlich empfängt. Man betritt den Adler gerne, und schnell erfasst man, dass es ein wirklich außergewöhnlich spannender gastronomischer Betrieb ist. Das kleine Gourmet-Restaurant Sophie La Roche, das nach der ersten deutschen Romanautorin benannt ist, überzeugt uns mit seinem klassisch-edlen Ambiente ebenso wie die zeitlos-stylische Vinothek, die wirklich einladend ist. Alles wirkt gemütlich, freundlich, unaufgeregt, und sofort wird klar, dass wir es hier mit echten Profis und einem Haus mit ganz eigenem Stil zu tun haben. In der Küche des Restaurants wirbelt bereits Küchenchef Jörg Berghoff. Mit ihm verbringe ich einen wirklich inspirierenden Tagam Herd. Jörg Berghoff legt großen Wert auf regionale Produkte, die saisonal bezogen in der Qualität unschlagbar sind. Er lässt sich von der regionalen Küche inspirieren. Seine Kreationen überzeugen, aber immer auch mit einem raffinierten Schlenker ins Internationale. Wir beginnen mit der Vorspeise aus aromatischem Butternut-Kürbis. Einen Teil vom Kürbis hatte Jörg Berghoff bereits sauer eingelegt, mit herrlichen Gewürzaromen aus Wacholder, Safran und Sternanis. Fast hätte ich ihm das komplette Glas weggenascht. Der dünn aufgeschnittene Lauch mit frisch geriebener Sternrenette, einer wohlschmeckenden historischen Apfelsorte, verschmelzt zu einem erfrischend knackigen Salat.
Serviert mit gerösteten Walnüssen, säuerlichen Kürbis-Pickles und würzigen Wildkräutern, zauberten wir im Nu eine wunderbare herbstliche Vorspeise, die schöner angerichtet nicht hätte sein können. Ebenso außergewöhnlich wie der Gang war die Weinauswahl, eine griechische Weißwein-Cuvée aus Sauvignon Blanc, Muscat d´Alexandrie und Ugni Blanc von Nico Lazaridi. Ein spannender Wein und eine interessante Kombination zugleich. Der eindeutig dominierende Sauvignon Blanc konnte die grünen Lauch-Komponenten des Ganges unterstreichen, die von einer gewissen Cremigkeit und einem Hauch Honig abgepuffert wurden. Die feinen Nuss-Kürbis- Komponenten kamen durch die Weißweincuvée mit ihren intensiven Aromen von weißen Früchten und dezenten Zitrusnoten noch intensiver zur Geltung. Im Mittelpunkt des erfrischenden Zwischenganges steht eine frische Lachsforelle aus der Region. Nachdem wir die Gräten gezogen hatten, durfte das Filet in geröstetem Sesamöl marinieren. Inzwischen rührten wir das Topinambur-Püree cremig und blanchierten jungen Staudensellerie in verschiedenen Konsistenzen. Vor dem Anrichten hat Jörg Berghoff den Fisch rundum kurz mit einem Bunsenbrenner abgeflämmt, mit dem Sellerie auf das Topinambur-Püree gebettet und mit Topinambur-Chips garniert. Die weinkundigen Mitarbeiter der Metro hatten uns hierfür wieder einen meisterlich passenden Wein ausgesucht, den Chardonnay Exklusiv vom Weingut Pfaffl aus dem österreichischen Weinviertel, der mir schon alleine deshalb gefiel, weil er exzellent integrierte Holznoten hat. Mehr Holz hätte diesem zarten Gang nicht gut getan. Stattdessen ließ Pfaffls Chardonnay das Gericht noch harmonischer erscheinen, unterstützte die Cremigkeit des Topinambur und betonte die dezente Frische des Staudensellerie. Sein feiner Duft ist keinesfalls zu dominant. Der Hauch von Muskatnuss passte hervorragend.
Unsere Experten
ANDREAS MÜLLER & JÖRG BERGHOFF
RESTAURANT ADLER AM SCHLOSS
„Heimat für Feines“, so lautet das Unternehmensmotto von Andreas Müller. Namensgeber für seine gastronomische Unternehmensgruppe, die heute mehrere Unternehmen unter einem Dach vereint, ist das Hotel & Restaurant Adler am Schloss in Bönnigheim, in dem seine Firmengeschichte vor über 15 Jahren begann. Heimat, das bedeutet für Andreas Müller und sein Team zunächst mal ein klares Bekenntnis zur Region, dem Raum Ludwigsburg-Heilbronn. Hier bezieht der Adler beste Produkte frisch vom Erzeuger. Für die Region da zu sein, bedeutet für Andreas Müller aber auch, sie fernab der Heimat zu repräsentieren. Seine Gourmetküche, der Jörg Berghoff heute als Küchenchef vorsteht, ist mit allem Drum und Dran auf hochkarätigen Events im In- und Ausland präsent und lässt Baden-Württemberg glänzend dastehen. Dass der kulinarische Horizont im Adler weit über die Kürbissuppe hinausgeht, hat der leidenschaftlich kreative und akribische Jörg Berghoff in unserem Kürbis-Workshop eindeutig bewiesen.
KERSTIN GETTO
MY COOKING LOVE AFFAIR
Wie unsere Leser bereits wissen, ist Kerstin Getto Foodbloggerin aus Leidenschaft. In unserem dritten Workshop rund um das Thema Kürbis hat sie dieses Mal mit Meisterkoch Jörg Berghoff in die Töpfe geschaut. So hat das Pfälzer Mädel einmal mehr den Blick über die Landesgrenze nach Baden-Württemberg gewagt und mit Jörg Berghoff einen Küchenmeister getroffen, der ihr noch einige Tipps und Kniffe beibringen konnte. Lesen Sie selbst, wie inspiriert die kulinarische Allianz zwischen Bloggerin und Meister dieses Mal war. Einmal mehr sind vier ambitionierte Rezepte entstanden, die Sie zu Hause nachkochen können. Eines davon finden Sie hier im Heft, die anderen sind auf unserer Website jederzeit abrufbar. Und übrigens auch die Rezepte unserer vergangenen Workshops. Schauen Sie vorbei auf www.meistervereinigung.de.
Der Rücken vom Stromberg-Reh war für den Hauptgang bereits perfekt ausgelöst und pariert. Das Fleisch haben wir kurz und kräftig angebraten und bei niedriger Temperatur in den Ofen gestellt. Damit der Eigengeschmack der Bete besonders intensiv auf den Teller kommt, ließen wir sie im eigenen Saft gar ziehen. Wie die Hokkaido-Kürbisspalten wurden auch die Süßkartoffeln im Ofen gegart. Aus den Süßkartoffeln wurde im Handumdrehen ein köstliches Püree, dem Kürbis verliehen wir mit einer Glasur aus Ahornsirup den finalen Geschmack. Um dem Fleisch den letzten Kick zu geben, aromatisierten wir es in einer Pfanne mit zerlassener Butter, verschiedenen frischen Kräutern und einer guten Portion zerstoßener Wacholderbeeren. Das war ein ganz besonderer, wunderbarer Genuss und eine Zubereitung, die ich künftig in meine Küche einfließen lassen werde. Die Jus aus Rehknochen und Wurzelgemüse wurde durch ein fast orientalisch anmutendes Gewürz vollendet. Auf dem Teller ergaben alle diese herrlichen Komponenten ein wirklich vollkommenes Gericht für Herbst- und Wintertage. Ein echter Seelenwärmer, genau wie der Lagrein von Tramin. Leicht animalisch, dicht, mit feinen Gerbstoffen und einer dezenten Erdigkeit, unterstützte der samtige Südtiroler die Süße des Kürbis und der Bete. Zum puren Wildfleisch, das selbstverständlich in Vollendung rosé gebraten war, der ideale Wein mit einer ansprechend rubin- bis dunkelgranatroten Farbe. Die kräftige, fein abgeschmeckte Sauce konnte dem Wein noch mehr Tiefe verleihen. Sein Duft nach Veilchen und Brombeeren kam im Old World Syrah Glas von Riedel perfekt zum Ausdruck.
Gekrönt wurde unser Menü durch einen süßen Abschluss, der höchsten Ansprüchen gerecht wurde und den Kürbis noch mal ganz anders ins Spiel brachte. Den süßen Kürbis-Pie haben wir aus aromatischem Muskatkürbis-Püree zubereitet. Ein leckerer Crumble, der vor dem Anrichten fast weggenascht war, wurde aus dem übrigen Teig vom knusprigen Boden und karamellisierten Kürbiskernen gebacken. Jörg Berghoff überraschte mich mit wahnsinnig intensiven, eingelegten Mirabellen, die er nach dem gleichen Rezept wie der Pickled Kürbis der Vorspeise eingelegt hatte, also auch einen Tick salzig waren. Spannend. Ich bin untröstlich, dass meine eigene Mirabellenernte des Sommers bereits in Marmelade verwandelt uns eingeweckt im Keller steht. Aus einigen der Mirabellen gab es noch ein Gel. Während der Pie im Ofen fertig wurde, rührte die Eismaschine ein cremiges Kürbiseis. Aus dem Froster zauberte Jörg Berghoff noch kleine Kugeln aus Kernölparfait. Dieses Dessert würdigt den Kürbis wirklich wie kaum ein anderes. Durch die Mirabellen kam auch noch ein Hauch Sommer auf den Teller. Diese Kombination hat mir wirklich extrem gut gefallen, genauso wie der Château Ste. Michelle, Riesling aus Columbia Valley in Washington. Kräftig aromatisch, saftig, vollmundig wie unser Dessert kam dieser mir bislang fremde Riesling daher und eroberte mein Pfälzer (Riesling-) Herz im Sturm. Seine feinen mineralischen Noten und die rassige Säure ergaben eine vollkommene Symbiose mit unserem Dessert. Sie erinnerten mich ein wenig an einen Riesling von der Mosel.
Der Cremigkeit des Kuchens bot der gute Tropfen als Konterpart große Frische, den Cookie unterstützte er sicher und seine feine Süße wirkte niemals aufgesetzt, nicht mal zum Eis. Die dezente Salzigkeit der eingelegten Mirabelle forderte den Wein besonders heraus, gab ihm noch mehr Tiefe und ließ ihn nahezu trocken erscheinen. Großartig, eine Kombination, wie man sie nur selten bekommt.
Alles in allem wurde der ganze Tag eine stattliche Abfolge neuer Lieblingskreationen. Patron Andreas Müller danke ich herzlich, dass er alles möglich gemacht und uns so prächtig unterstützt hat. Küchenchef Jörg Berghoff danke ich vor allem für seine Zeit, die Geduld und diese wahnsinnig tollen Rezepte, die er uns verraten hat. Er und sein Team kochen mit viel Leidenschaft und verstehen es, in jedem Gericht Altes mit Neuem zu vereinen und tolle Grundprodukte ins rechte Licht zu rücken, ohne sie zu überlagern. Ich freu mich heute schon auf den nächsten Besuch.
Bildnachweis:
Philipp Sedlacek